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Aus dem Unmut heraus, den überarbeiteten Grundbesitzabgabebescheid 2023 mit der rückwirkenden Erhöhung des Hebesatzes unangekündigt im Briefkasten gefunden zu haben und der Beantwortung des Widerspruchsschreibens der Kämmerin mit einem Serienbrief, wurde der Wunsch nach einer Demonstration lauter.

Am 25.10.2023 fanden sich über 1.100 Demonstranten – „bewaffnet mit über 800 Trillerpfeifen“ – vor dem Rathaus Meckenheim ein, die ein Zeichen setzten. Trotz schallisolierter Verglasung konnte man den lauten aber friedlichen Protest im Sitzungssaal hören.

Es war ein riesen Erfolg und Meckenheim hatte nie zuvor so eine große Demonstration erlebt.

Ob der Erfolg jedoch auch nachhaltig sein wird und sich die Politik dahingehend ändert, dass sie bürgernah wird und die Kommunikation verbessert wird, bleibt nun abzuwarten.

Für die ausführliche Version zum Thema Demonstration am 25.10.2023 hier ausklappen

Mitte Juli 2023 hatte die Stadt Meckenheim den überarbeiteten Grundbesitzabgabebescheid 2023 an die Haushalte in Meckenheim versandt.
Der Hebesatz für die Grundsteuer B wurde von 571 Prozentpunkte auf 850 (also um 279 Punkte) erhöht – und zwar rückwirkend zum 1.1.2023. Das entspricht einer Steigerung um 48,86 %. Für das Jahr 2024 ist eine weitere Erhöhung auf 895 Hebepunkte bzw. um 5,29 % beschlossen. Innerhalb von zwei Jahren ergibt das eine Gesamterhöhung der Grundsteuer B von 56,74. %. Viele Meckenheimer waren überrascht – wenn nicht sogar verärgert – darüber, da Sie von dieser Erhöhung erst mit dem Grundbesitzabgabebescheid erfuhren.

Die Meckenheimerin Natalie Mielke startet eine Online-Petition gegen die Anhebung der Grundsteuer.
Gleichzeitig hatte Sven Blaschke ein Muster für ein Widerspruchsschreiben gegen den Steuerbescheid, das in der Nachbarschaft verteilt worden war, bei Facebook hochgeladen.
Viele Bürgerinnen und Bürger waren dankbar für die Unterstützung, da sie sich zum Teil unsicher sind und sich nicht trauen, gegen Behörden vorzugehen. Etliche Rentner hatten sich gemeldet, die keine hohe Rente beziehen und schon jetzt unter gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreisen ächzen.

Der großer Zuspruch in den sozialen Medien bewegte Blaschke dazu, zusammen mit Susanne Bölt eine eigene Facebook-Gruppe mit dem Titel „Widerspruch gegen die Grundsteuererhöhung in Meckenheim“ zu gründen.
Leider wurden die Widersprüche mit einem Serienbrief der Kämmerin beantwortet, der lediglich Rechtfertigungen bzgl. der Anhebung beinhaltete aber nicht auf die Widerspruchsschreiben einging. Viele Bürger, die schon bereits mehrfach beklagten, von der hiesigen Politik nicht mehr ernst genommen zu werden, fühlten sich erneut in Ihrer Wahrnehmung bestätigt.

Die Rufe nach einer Demonstration wurden somit immer lauter.
Auf mehrfachen Nachfragen übernahm Sven Blaschke die Organisation der Demonstration „Meckenheim gegen Grundsteuererhöhung“. Das Ziel der Demonstration war es nicht, den Haushalt rückgängig zu machen, denn dieser war längst verabschiedet. Jedoch sollten den regierenden Parteien (CDU, Grüne und FDP) – die für die Anhebung des Hebesatzes gestimmt hatten – klar gemacht werden, dass man zukünftig derartige Entscheidungen nicht mehr einfach hinnehmen wird.

Als Termin der Demonstration wurde der 25.10.2023 festgelegt. Diese sollte vor dem Rathaus stattfinden, da im Ratssaal der Haupt- und Finanzausschuss (nach dem Stadtrat das politische Gremium mit den meisten Entscheidungsbefugnissen) tagte.
Am 04.10.2023 hatte Herr Matthias Happach die Homepage „Meckenheim gegen Grundsteuererhöhung“ online gestellt, mit der man nun die Möglichkeit hatte, noch mehr Meckenheimer zu erreichen, um sie über die Demonstration zu informieren.

Die WDR Lokalzeit Bonn berichtete am 05.10.2023 zur Grundsteuererhöhung im Rhein-Sieg-Kreis und strahlte ein Interview mit Sven Blaschke – dem Initiator der Gruppe „Meckenheim gegen Grundsteuererhöhung“ – aus:

WDR Lokalzeit Bonn vom 05.10.2023

Bernd Ewert übernahm die Koordinierung der Flyerverteilung. Unterstützt durch unheimlich viele ambitionierte Helfer,
konnten so die Flyer an alle Haushalte verteilt werden.
Zusätzlich wurden in Meckenheim Banner aufgehangen, die ebenfalls auf die Demonstration aufmerksam machten. Auch hier hatten viele Freiwillige ihr Grundstück zur Verfügung gestellt und somit ihren Beitrag zum Erfolg der Demonstration beigetragen.

Am 25.10.2023 fanden sich über 1.100 Demonstranten vor dem Rathaus Meckenheim ein, die ein Zeichen setzten. Trotz schallisolierter Verglasung konnte man den lauten aber friedlichen Protest im Sitzungssaal hören.
Das Video von laut-werden.de vermittelt ein wenig, wie laut es vor Ort war.
Es war ein riesen Erfolg und Meckenheim hatte nie zuvor so eine große Demonstration erlebt.

Jedoch war klar, dass wenn sich in naher Zukunft nichts ändern wird, dann haben die Damen und Herren im Stadtrat dieses Zeichen nicht erkannt und müssen sich am Ende nicht wundern, wenn das Kreuz bei der nächsten Wahl woanders gesetzt wird. Um also nicht Gefahr zu laufen, dass einige Parteien diesen Unmut aussitzen oder totschweigen können, wurde die Bürgerinitiative Meckenheim gegründet.
Mit dieser soll zum einen die Meckenheimer Kommunalpolitik transparenter und bürgernäher dargestellt aber auch die Möglichkeit gegeben werden, eventuell eine weitere Demonstration zu organisieren, sofern sich keine Änderungen und finanziellen Entlastungen der Bürgerinnen und Bürger abzeichnen.

Eine Woche vor der Demonstration (am 18.10.2023) lud Bürgermeister Holger Jung, Sven Blaschke zum Gespräch ein, um einerseits etwas mehr über die Absichten und den Anlass der Demonstration zu erfahren und andererseits, kurz den Ablauf zu beleuchten (Gedächtnisprotokoll).
Blaschke legte dem Bürgermeister in diesem Gespräch nahe, die Möglichkeiten der medialen Vielfalt besser zu nutzen. So sei der Videopodcast ein Informationsportal von vielen. Die Summe macht es am Ende.

Mit dem „offenem Bürgerbrief“ scheint der Bürgermeister zumindest die Kritik bzw. den Hinweis angenommen zu haben, da er diesen nicht nur auf der Homepage der Stadt Meckenheim veröffentlichte, sondern auch auf dem Facebook-Profil der Stadt Meckenheim ein Video hochgeladen hatte, indem Jung diesen Brief vorliest.
Auch wenn bei der Qualität des Videos noch Luft nach oben ist (unscharfes Bild und starre Körperhaltung, welches durch das Ablesen noch verstärkt wahrgenommen wird), werten wir als Schritt in die richtige Richtung. Nur so werden politische Entscheidungen einfacher und verständlicher vermittelt, als wenn man sich lange Texte durchlesen muss und dabei Gefahr läuft, den Bürger „unterwegs zu verlieren“.

Die inhaltlichen Auswertung des offenen Briefs des Bürgermeisters an die Bürgerinnen und Bürger fiel dagegen umso ernüchternder aus.
Beim ersten Lesen (oder Anhören) fallen einem deutliche Parallelen zu dem Antwortschreiben der Kämmerin auf das Widerspruchsschreiben gegen den Grundbesitzabgabenbescheid oder das Infoschreiben der CDU vom August 2023 zum Thema Grundsteuererhöhung auf.
Dass direkt am Anfang von einer „… durch den Stadtrat beschlossene Grundsteuererhöhung…“ geredet wird aber die Formulierung „… Mehrheitsbeschluss des Stadtrates …“ eigentlich treffender wäre, könnte man strenggenommen als politisch wohlgewähltes rhetorisches Mittel sehen, um den Leser zu suggerieren, dass die Grundsteuererhöhung einstimmig beschlossen wurde.
Grundsätzlich enthält der offene Brief viele Rechtfertigungen, die versuchen die Notwendigkeit einer Grundsteuererhöhung zu erklären. Jedoch wurde es leider abermals versäumt, die bereits mehrfach aufgeworfenen Fragen zu beantworten.
Dies untermauert natürlich die Kritik, dass man den Bürger nicht ernst nimmt und sich den Fragen nicht stellen will. Inwieweit dies am Ende (spätestens bei der nächsten Kommunalwahl) der richtige Weg war, wird sich zeigen. Aus unserer Sicht, zeigt man auch Stärke, indem man Fehler zugibt und diese zumindest für die Zukunft korrigiert.
Es wird schwierig, einen politischen Führungsanspruch zu behalten, indem man Fehler totschweigt oder Fragen aussitzt .. gerade in der heutigen Zeit – selbst in Meckenheim. Wir werden zumindest die offenen Fragen immer wieder stellen und den Bürgerinnen und Bürger transparent aufzeigen, wie damit seitens des Bürgermeisters als Vorsitzender der Verwaltung damit umgegangen wird.
Eine „Kritik ernst nehmen“, wie der Bürgermeister es in seinem offenen Brief erwähnt, heißt auch, dass Veränderungen stattfinden müssen. Die Erkenntnis allein reicht hier nicht aus. Fragen ausweichen, einen Livestream der Ratssitzung nicht proaktiv anzugehen, sondern erstmal in die Beratung schieben (auch dazu hatten wir berichtet), führen eher dazu, dass die Meckenheimer an dieser Aussage von Herrn Jung zweifeln. Da ist ein Videopodcast vielleicht eine nette Geste aber die Veränderung zu einer bürgernahen Kommunikationspolitik noch lange nicht erkennbar.
Wir wollen hier gar nicht auf jeden der vorgebrachten Punkte des offenen Bürgerbriefs eingehen, zumal mal man (und auch hier wiederholen wir uns) es niemanden Recht machen kann, egal welches Projekt finanziert oder nicht mehr finanziert wird.
Uns liegt es also fern, zu sagen, was wichtig und was nicht wichtig ist.
Jedoch die Frage, ob die Grundsteuererhöhung wirklich ultima ratio war, ist noch immer nicht geklärt.
Und solange nicht sämtliche Einnahmequellen und Ausgaben in Zeiten leeren Kassen umfassen beleuchtet wurden, werden die Bürgerinnen und Bürger kein Verständnis dafür haben, dass „über ihre Köpfe hinweg“ in ihre Taschen gegriffen wird.

Ja, die Freiflächenphotovoltaik-Anlage am Bahnhof Industriepark und die Ansiedlung einer Wasserstofftankstelle im Unternehmerpark Kottenforst, scheinen auf den ersten Blick ein guter Weg zu sein, die Wirtschaft anzukurbeln. Aber auch hier gibt es noch sehr viel Fragen, die im Rahmen einer transparenteren Politik beantwortet werden müssen.
Die alleinerziehenden Mutter, die in wenigen Monaten eine enorme Mietnachzahlung und gleichzeitig eine erhöhte Miete zukünftig finanziell bewältigen muss oder der Rentner mit einem so geringen Einkommen, dass er sich zur Zeit gerade so die Miete leisten kann (um hier nur zwei Beispiele von so vielen zu nennen), finden sich in dem offenen Brief des Bürgermeisters nicht wieder.

Und so sagen wir bereits jetzt – wenige Monate nach der Demonstration: wird es in absehbarer Kürze keine erkennbaren Veränderungen geben, dann wird es wieder Demonstrationen vor dem Rathaus geben. Und wir lehnen uns gar nicht weit aus dem Fenster, wenn wir sagen: dann werden wir mehr als 1.100 Bürgerinnen und Bürger. Das vergessen diese dann nicht so schnell – zumindest nicht bis zur nächsten Kommunalwahl.

Quellen:
Realsteuerhebesätze in der Region Bonn/Rhein-Sieg 2023
Link

Generalanzeiger vom 04.10.2023
https://ga.de/region/voreifel-und-vorgebirge/meckenheim/grundsteuer-jetzt-wollen-auch-meckenheimer-demonstrieren_aid-98853401

WDR Lokalzeit aus Bonn vom 05.10.2023
https://www.ardmediathek.de/video/lokalzeit-aus-bonn/lokalzeit-aus-bonn-oder-05-10-2023/wdr-bonn/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLXNvcGhvcmEtMDVjNjBhYjktMzc3MS00NzQ5LWE4N2UtMWEzODA1NjcyOWFl

Blick aktuell vom 10.10.2023
https://www.blick-aktuell.de/Politik/Protestkundgebung-gegen-Steuererhoehung-567320.html

Radio Bonn-Rhein-Sieg vom 25.10.2023
Link

laut-werden.de
https://laut-werden.de/v/703?seite=&q=Meckenheim

Generalanzeiger vom 26.10.2023
https://ga.de/region/voreifel-und-vorgebirge/meckenheim/kundgebung-meckenheimer-pfeifen-ihren-buergermeister-aus_aid-100234517

Generalanzeiger vom 14.11.2023
https://ga.de/region/voreifel-und-vorgebirge/meckenheim/grundsteuer-in-meckenheim-nach-protesten-bezieht-buergermeister-stellung_aid-101399141

Stadt Meckenheim Homepage vom 10.11.2023
https://www.meckenheim.de/cms117/aktuelles/mitteilungen_rathaus/artikel/81704/?fbclid=IwAR1mOvzv0xzj_tiYn2vb1xYm1y8QQ9P9ZWr2-Vpi-se6hrLAUEU8BYqIhV8

Stadt Meckenheim Facebook vom 10.11.2023
https://www.facebook.com/meckenheimde/videos/870136658044649/

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