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Haushaltsfehlplanung mit Ansage – Wie 440.000 Euro ohne Rechtsgrundlage im Haushalt landeten

Die Stadt Meckenheim hat im Haushalt 2025/26 Einnahmen aus einer geplanten Schulvereinbarung mit Wachtberg eingeplant – obwohl kein Vertrag existiert und der Bürgermeister selbst einräumt, dass kein Anspruch auf Zahlung besteht. Ursprünglich wurden 440.000 Euro angesetzt, später auf 170.000 Euro reduziert. Doch auch dieser Betrag ist rechtlich nicht abgesichert.
Trotz klarer Warnungen lehnte die Ratsmehrheit einen Antrag zur Streichung der Position ab. Nun droht ein Haushaltsloch – mit Ansage.

👉 In der Langfassung analysieren wir Hintergründe, Zitate und politische Verantwortung.


Ein kommunalpolitischer Skandal entwickelt sich in Meckenheim: Die Stadtverwaltung hat im Haushaltsplan 2025/26 eine jährliche Einnahme von 440.000 Euro eingeplant – und das für jedes Jahr bis 2029. Insgesamt also rund 2,2 Millionen Euro, verteilt auf fünf Haushaltsjahre. Diese Summe ist unter der Haushaltsposition 6321300 im Teilfinanzhaushalt Produkt 241.1 verzeichnet (siehe Haushaltsentwurf, Seite 213).

Dabei fehlt eine gesicherte rechtliche Grundlage, ein unterschriebener Vertrag liegt nicht vor – und intern war laut Bürgermeister längst bekannt, dass diese Einnahmen nicht durchsetzbar sind. Es geht um eine angestrebte Beteiligung der Gemeinde Wachtberg an den Kosten für die Beschulung ihrer Kinder an Meckenheimer Schulen, insbesondere am Konrad-Adenauer-Gymnasium und der Theodor-Heuss-Realschule.

Was sich zunächst wie ein Missverständnis anhören könnte, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als eine Haushaltsfehlplanung mit Ansage – gegen rechtliche, finanzpolitische und politische Vernunft. Und mit weitreichenden Folgen für Meckenheim.


Vom Wunsch zur Wirklichkeit: 440.000 Euro aus der Luft gegriffen

Die erste Version des Haushaltsentwurfs 2025/26 enthielt eine Einnahmeposition von 440.000 Euro jährlich für zwei Jahre – insgesamt 880.000 Euro. Die Summe war rein spekulativ und ging weit über die realistisch zu erwartende Beteiligung hinaus. Grundlage war eine interne Schätzung der Kämmererei: Für rund 130 Wachtberger Kinder wurde ein jährlicher Betrag von 1300 Euro pro Kind veranschlagt.

Erst nachdem die Kritik lauter wurde – insbesondere von SPD und BfM – wurde die Summe im Haushaltsentwurf auf 170.000 Euro jährlich reduziert. Dieser Betrag entspricht in etwa dem tatsächlichen Bedarf auf Basis der Schülerzahlen. Das Grundproblem blieb jedoch bestehen: Auch dieser geringere Betrag ist nicht rechtlich gesichert und basiert auf keiner verbindlichen Vereinbarung.


Bürgermeister: Kein Anspruch – aber trotzdem eingeplant

Das Erstaunlichste: Selbst Bürgermeister Holger Jung räumte öffentlich ein, dass der Stadt bewusst war, dass sie gar keinen Anspruch auf eine Zahlung hat. In der Kölnischen Rundschau vom 5. Juni wird er mit den Worten zitiert:

„Uns war bei der Stadt Meckenheim auch klar, dass wir keinen Anspruch darauf haben und es nicht durchsetzen könnten.“
– Holger Jung, Bürgermeister der Stadt Meckenheim

Trotz dieses Eingeständnisses setzte die Verwaltung die Einnahme im Haushalt an. Und mehr noch: Im offiziellen Protokoll des Haupt- und Finanzausschusses vom 19. März 2025 heißt es wörtlich:

„Die beschlossene Vereinbarung mit der Gemeinde Wachtberg […] wurde interkommunal abgestimmt. Es bestehen keine Bedenken gegen diese Einnahmeposition.“

Das steht in klarem Widerspruch zum Wissen der Verwaltung und des Bürgermeisters. Denn: Ohne Zustimmung Wachtbergs kommt keine Vereinbarung zustande – und die dortige Verwaltung hatte bereits empfohlen, das Vorhaben wegen fehlender Rechtsgrundlage und finanzieller Risiken abzulehnen.


CDU und Verwaltung verteidigen Planung – trotz aller Zweifel

Die CDU Meckenheim verteidigte die Haushaltsansätze mit dem Argument, es habe Gespräche und Abstimmungen mit Wachtberg gegeben. Auch die Verwaltung betonte in der Ausschusssitzung am 19. März, die Vereinbarung sei „interkommunal abgestimmt“ worden. Doch diese Darstellung ist bestenfalls irreführend: Es gab lediglich einseitige Verhandlungen seitens Meckenheims – keine belastbare Einigung, kein unterschriebener Vertrag, keinen Ratsbeschluss aus Wachtberg.

In der Debatte wurde von CDU-Vertretern argumentiert, man müsse „ein Signal“ setzen und die Diskussion weiterführen. Doch politische Signale ersetzen keine rechtsverbindlichen Einnahmen. Wenn der Haushalt auf unsicheren Zahlen beruht, untergräbt das nicht nur die Glaubwürdigkeit der Finanzplanung, sondern gefährdet auch die Zukunft der Stadt.


Politischer Schutz statt Haushaltsklarheit

Bereits im März hatten SPD und BfM einen Antrag eingebracht, die spekulative Einnahmeposition aus Wachtberg vollständig zu streichen – und zugleich die Einleitung eines Haushaltssicherungskonzepts wegen struktureller Unterdeckung gefordert. Sie warnten frühzeitig davor, Einnahmen aus einer rechtlich nicht gesicherten Vereinbarung als gesichert in den Haushalt aufzunehmen.

Der gemeinsame Antrag vom 18. März 2025 enthielt drei zentrale Forderungen:

  1. Streichung der fiktiven Einnahme aus der nicht beschlossenen Vereinbarung mit Wachtberg
  2. Keine Verschiebung von Verlusten in zukünftige Haushaltsjahre
  3. Einleitung eines Haushaltssicherungskonzepts aufgrund struktureller Unterdeckung

Doch die Mehrheit aus CDU, Grünen, FDP, UWG und Ratsmitglied Pusch lehnte das Paket am 19. März im Haupt- und Finanzausschuss mit 11:4 Stimmen ab – und sprach der Verwaltung damit politische Rückendeckung für eine fragwürdige Haushaltskonstruktion aus.


Warum lehnt Wachtberg die Zahlung ab?

Am 5. Juni 2025 empfahl der Wachtberger Bildungsausschuss offiziell, die Vereinbarung mit Meckenheim nicht zu unterzeichnen. Die finale Entscheidung fällt zwar erst am 26. Juni im Haupt- und Finanzausschuss – doch das Ergebnis gilt angesichts der ablehnenden Haltung der Wachtberger Verwaltung als vorentschieden.

Die Begründung: Wachtberg sieht keinen rechtlichen Anspruch der Stadt Meckenheim auf eine solche Zahlung – es handelt sich um eine freiwillige Leistung. Gleichzeitig wird die Vereinbarung in Wachtberg so verstanden, dass sie eine dauerhafte Zahlungspflicht auslösen könnte. Ursprünglich plante Meckenheim mit Einnahmen von bis zu 440.000 Euro über zwei Jahre, was in Wachtberg als potenziell haushaltsgefährdend bewertet wurde.

Auch wenn Meckenheim die erwarteten Einnahmen inzwischen auf etwa 170.000 Euro jährlich reduziert hat, sieht Wachtberg weiterhin keine rechtliche oder haushaltsrechtliche Grundlage. Denn: Sollte die Gemeinde selbst in ein Haushaltssicherungskonzept geraten, wären freiwillige Leistungen – wie diese Zahlung – überhaupt nicht mehr zulässig.


Warum betrifft das auch die Bürgerinnen und Bürger Meckenheims?

Ein Haushaltsloch in Höhe von 440.000 Euro pro Jahr – oder auch „nur“ 170.000 Euro – bleibt nicht folgenlos:

  • Die Stadt muss diesen Fehlbetrag anderweitig ausgleichen – durch Kürzungen, Einsparungen oder neue Schulden.
  • Das betrifft freiwillige Leistungen wie Kultur, Sport, Kinder- und Jugendangebote oder Vereinsförderung.
  • Wird die Haushaltslage kritischer, droht ein Haushaltssicherungskonzept – mit möglichen Steuererhöhungen oder Einschränkungen kommunaler Selbstbestimmung.
  • Eine solche Planung gefährdet das Vertrauen in die Verwaltung und politische Entscheidungsprozesse.

Konsequenzen notwendig

Transparenz, Verantwortungsübernahme und politische Konsequenzen sind nun unerlässlich. Die Bürgerinnen und Bürger haben Anspruch auf ehrliche Antworten:

  • Warum wurde eine Einnahme im Haushalt fest eingeplant, obwohl intern bekannt war, dass keine rechtliche Grundlage bestand?
  • Warum wurde im Ausschussprotokoll suggeriert, es gebe keine Bedenken, obwohl erhebliche Zweifel bestanden?
  • Warum hat die Ratsmehrheit alle Warnungen ignoriert und die politische Verantwortung verweigert?

Gerade in finanziell angespannten Zeiten braucht es eine solide, transparente und rechtssichere Haushaltsplanung. Stattdessen wird in Meckenheim eine Einnahme schöngerechnet, deren Realisierung von Anfang an auf äußerst wackeliger Grundlage stand. Der Bürgermeister selbst räumt ein, dass kein Anspruch auf die Zahlung besteht – und dennoch wurde der Betrag als „unbedenklich“ in den Haushalt übernommen.

Haushaltsklarheit beginnt mit Ehrlichkeit. Und die ist in Meckenheim aktuell schwer zu finden.

Hinweis: In einem offenen Brief vom 12.06.2025 fordern SPD und BfM unter anderem eine öffentliche Erklärung des Bürgermeisters, einen Nachtragshaushalt sowie einen belastbaren Finanzplan. Die darin formulierten Forderungen spiegeln zentrale Aspekte dieses Artikels inhaltlich wider.

🕓 Chronik der Ereignisse: Schulvereinbarung Wachtberg–Meckenheim

DatumEreignis
19.02.2025Rat Meckenheim beschließt einstimmig eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung zur Beteiligung Wachtbergs an Schulbetriebskosten.
18.03.2025SPD und BfM stellen im HFA den Antrag, die spekulativen Einnahmen zu streichen und ein Haushaltssicherungskonzept zu prüfen.
19.03.2025Mehrheit von CDU, Grünen, FDP, UWG und RM Pusch lehnt den Antrag ab – die Einnahme bleibt im Haushalt. Im Protokoll heißt es: „Keine Bedenken gegen die Einnahme.“
03.06.2025Sitzungsvorlage der Wachtberger Verwaltung: Ablehnung der Vereinbarung empfohlen.
05.06.2025Bürgermeister Holger Jung erklärt gegenüber der Kölnischen Rundschau: „Uns war klar, dass wir keinen Anspruch haben.“
12.06.2025SPD und BfM veröffentlichen einen offenen Brief an Bürgermeister Jung mit der Forderung nach einer öffentlichen Erklärung, einem Nachtragshaushalt und einem tragfähigen Finanzplan.
26.06.2025(geplant) Entscheidung im Haupt- und Finanzausschuss Wachtberg zur Vereinbarung.


Quellen:
Meckenheimer Haushaltsentwurf 2025-2026 – Teilpläne zum Produktbereich 03 Schulträgeraufgaben:
https://meckenheim.de/loadDocument.phtml?FID=3947.781.1&Ext=PDF

Protokoll der Ratssitzung vom 19.02.2025:
https://sessionnet.owl-it.de/meckenheim/bi/getfile.asp?id=146120&type=do

Antrag SPD und BfM Verlustvortrag, Streichung Vereinbarung und Haushaltssicherungskonzept vom 18.03.2025:
https://sessionnet.owl-it.de/meckenheim/bi/getfile.asp?id=146196&type=do

Protokoll der 27. Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses des Rates der Stadt Meckenheim vom 19.03.2025:
https://sessionnet.owl-it.de/meckenheim/bi/getfile.asp?id=146448&type=do

General-Anzeiger vom 04.06.2025:
https://ga.de/region/voreifel-und-vorgebirge/wachtberg/wachtberg-kontroverse-mit-meckenheim-gemeinde-soll-fuer-schueler-zahlen-v1_aid-128604997

Kölnische Rundschau vom 05.06.2025:
https://www.rundschau-online.de/region/bonn/wachtberg/wachtberger-kaemmerei-lehnt-zahlung-fuer-schulen-in-meckenheim-ab-1037730

General-Anzeiger vom 06.06.2025:
https://ga.de/region/voreifel-und-vorgebirge/meckenheim/meckenheimer-veraergert-wegen-kurswechsel-in-wachtberg_aid-128790367

Bonner Rundschau vom 06.06.2025 (Printausgabe)

Bonner Rundschau vom 07.06.2025 (Printausgabe)

General-Anzeiger vom 10.06.2025:
https://ga.de/region/voreifel-und-vorgebirge/meckenheim/wachtberger-politik-zerlegt-meckenheims-hoffnung-auf-geld_aid-129032695

offener Brief SPD und BfM an Bürgermeister (veröffentlicht am 12.06.2025)
https://bi-meckenheim.de/wp-content/uploads/2025/06/2025-06-12-SPD-und-BfM-offener-Brief-BM-Beschulungsvertrag.pdf

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