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Der geplatzte Beschulungsvertrag mit Wachtberg ist nur die Spitze des Eisbergs: Auch zu erwartende Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst wurden in Meckenheim offenbar nicht realistisch eingeplant. Gleichzeitig bleiben zahlreiche Fragen aus der Politik unbeantwortet – während der Bürgermeister mit viel Rhetorik, aber wenig Substanz reagiert.
👉 Lesen Sie hier die vollständige Analyse.
1. Offener Brief von SPD und BfM: Politischer Offenbarungseid
SPD und Bürger für Meckenheim (BfM) werfen dem Bürgermeister vor, nicht abgesicherte Einnahmen in Höhe von 440.000 € pro Jahr aus einem Beschulungsvertrag mit Wachtberg fest im Haushalt eingeplant zu haben – ohne Beschluss der Gegenseite, ohne Vertrag, ohne verlässliche Grundlage. Der Vorwurf: Die Haushaltsplanung basiere auf Wunschdenken statt Fakten.
👉 Hier lesen Sie den offenen Brief der Fraktionen im Wortlaut.
Konkret fordern die Fraktionen:
- eine öffentliche Erklärung, wie es zu dieser Fehleinschätzung kam,
- einen Nachtragshaushalt unter Berücksichtigung der fehlenden Einnahmen und der Tarifsteigerungen,
- und einen belastbaren Finanzplan, der nicht zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger geht.
Ein entsprechender Antrag liegt nun für die Ratssitzung am 02.07.2025 vor. SPD und BfM fordern darin konkret:
- Die Erstellung eines belastbaren Nachtragshaushalts,
- Berücksichtigung der 440.000 € pro Jahr ausbleibender Wachtberg-Zahlungen,
- Einarbeitung der Tarifsteigerungen von 5,8 % im öffentlichen Dienst,
- und eine aktualisierte Finanzplanung bis 2029, bei der die Wachtberg-Mittel in Höhe von insgesamt 2,2 Mio. € herausgerechnet werden.
Der Antrag verweist zudem darauf, dass die Problematik bereits im März 2025 im Rahmen der Haushaltsverabschiedung angesprochen wurde – damals jedoch ohne Reaktion der Verwaltung.
Update: Inzwischen ist klar: Meckenheim wird wohl tatsächlich auf den Kosten sitzen bleiben, denn auch nach dem Schulausschuss hat der Wachtberger Haupt- und Finanzausschuss am 26.06.2025 die Vereinbarung endgültig abgelehnt.
2. Anfrage der Grünen im HFA: Verantwortung verdrängt – Fokus auf Form statt Inhalt
Anfrage der Grünen ansehen (PDF)
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellte im Haupt- und Finanzausschuss vom 25.06.2025 eine umfangreiche und sachliche Anfrage zur Rolle der Wachtberg-Einnahmen im Haushaltsplan. Die Antworten des Bürgermeisters bleiben an vielen Stellen vage oder ganz aus.
Frage der Grünen | Antwort durch den Bürgermeister | Bewertung |
---|---|---|
1. Wer nahm an Gesprächen teil? | Erster Beigeordneter (Hans Dieter Wirtz) und Bürgermeister selbst. | Beantwortet. |
2. Wann sollte die Politik über moderierte Gespräche und reduzierte Kosten informiert werden? | Keine direkte Antwort. | Unbeantwortet. |
3. Aus welchen Erwägungen wurde die Einnahme als realistisch angesehen? | Bezug auf „Verständnis“ seitens Wachtberg und Vergleich mit anderer Kommune. | Unzureichend. |
4. Auswirkungen auf Genehmigungsfähigkeit des Haushalts? | „Kompensation durch Haushaltsbewirtschaftung möglich“. | Nicht substanziell. |
5. Ist ein Nachtragshaushalt erforderlich? | „Nein.“ Abweichungen seien üblich. | Formal beantwortet, aber kritisch zu hinterfragen. |
6. Welche Maßnahmen zur Kompensation? | Allgemeine Hinweise auf Aufwandsminderung oder Mehrerträge. | Unkonkret. |
7. Unterschied Haushaltssicherung bei Planung vs. Vollzug? | Keine Antwort. | Unbeantwortet. |
In der Begründung zum Antrag der Grünen ist zudem von „alarmistisch aufbereiteten Informationen“ die Rede – ein Vorwurf, der sich gegen politische Mitbewerber richtet, die frühzeitig auf die Risiken hingewiesen haben.
Kritikwürdige Haushaltsplanung wird so zur Kommunikationskrise umgedeutet.
Dabei bleibt eine zentrale Frage unbeantwortet:
Warum wurden über Jahre Einnahmen eingeplant, obwohl weder Vertrag, noch Rechtsgrundlage, noch Zustimmung aus Wachtberg vorlagen?
Obwohl viele der Grünen-Fragen unbeantwortet blieben, gab es im Haupt- und Finanzausschuss am 25.06. keinerlei Nachfragen der Fraktion. Frau Susanne Chur-Lahl äußerte sich nicht weiter, als der Bürgermeister dem Ausschuss seine Sicht darlegte – inhaltlich in Übereinstimmung mit seinem öffentlichen Antwortschreiben.
Besonders irritierend: Der Bürgermeister kommentierte die Problematik um die 440.000 € mit den Worten: „Das ist zwar nicht schön, aber das ist dann jetzt so.“
Ein Satz, der tiefer blicken lässt als viele Seiten Verwaltungssprache: Er steht sinnbildlich für eine Haltung, die Verantwortung nicht ernst nimmt, sondern lediglich verwaltet.
3. Die Antwort des Bürgermeisters: Viel Text, wenig Aufklärung
Der Bürgermeister reagiert mit einem langen Schreiben – in dem er sich deutlich im Ton vergreift. Statt auf die Inhalte des offenen Briefs einzugehen, spricht er von „unsubstantiierten Einlassungen“, „vermeintlich kurzfristigen persönlichen Zielen“ und „rein politisch motivierter Kritik“.
Am Ende seines Schreibens versucht er dann doch noch einen verbindlichen Tonfall zu treffen:
„Meckenheim braucht Ehrlichkeit, Verantwortung, Transparenz und eine Politik im Interesse der Meckenheimerinnen und Meckenheimer!“ – so zitiert er aus dem offenen Brief.
Und ergänzt: „Ich hoffe, dass das auch in Zukunft so bleibt und Sie sich daran messen lassen.“
Diese rhetorische Umkehr wirkt allerdings wenig überzeugend – sie wirkt wie ein Versuch, sich am Ende noch über das moralische Niveau der Kritiker zu stellen, ohne auf deren konkrete Forderungen eingegangen zu sein.
Faktencheck: Zwei Aussagen – ein Widerspruch
⚠️ Haupt- und Finanzausschuss, Protokoll vom 19. März 2025:
„Die beschlossene Vereinbarung mit der Gemeinde Wachtberg […] wurde interkommunal abgestimmt. Es bestehen keine Bedenken gegen diese Einnahmeposition.“
📍 Kölnische Rundschau, 5. Juni 2025:
„Uns war bei der Stadt Meckenheim auch klar, dass wir keinen Anspruch darauf haben und es nicht durchsetzen könnten.“
– Bürgermeister Holger Jung
Diese beiden Aussagen widersprechen sich fundamental.
Wenn die Verwaltung wusste, dass kein Anspruch besteht – warum wurde die Position im Haushalt dann dennoch als „unbedenklich“ bezeichnet?
Wenn am Ende einer solchen Debatte lediglich der Hinweis bleibt, man hoffe, dass andere sich in Zukunft an ihren eigenen Maßstäben messen lassen – dann bleibt der Eindruck zurück, dass diese Maßstäbe für einen selbst nicht gelten.
4. Kein Wort zu steigenden Personalkosten: Der zweite blinde Fleck
Ein weiterer zentraler Kritikpunkt von SPD und BfM betrifft die zu niedrig angesetzten Personalkosten – und auch dieser Punkt bleibt in der Antwort des Bürgermeisters komplett unerwähnt.
Im Haushaltsplan kalkuliert die Stadt lediglich mit 2 % jährlicher Tariferhöhung – obwohl die Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst bereits deutlich höhere Werte festlegen:
- ab 1. April 2025: +3 % (mindestens 110 € monatlich),
- ab 1. Mai 2026: +2,8 %
Für eine Stadt mit mittlerweile 342 Planstellen (Stand 2024) und 285 besetzten Stellen – deutlich mehr als noch 2020 (262 von 282) – ergibt sich daraus ein erheblicher Mehrbedarf:
Rund 5,8 % binnen zwei Jahren, der im Haushalt aktuell nicht abgebildet ist.
Wer hier weiterhin nur 2 % kalkuliert, rechnet sich den Haushalt schön – und blendet ein absehbares strukturelles Defizit aus.
Dass sich der Bürgermeister hierzu überhaupt nicht äußert, ist nicht nur auffällig, sondern ein schweres Versäumnis. Am Ende seines Schreibens verweist er auf eine vermeintliche Gemeinsamkeit mit den kritischen Fraktionen – nämlich den Wunsch nach „Ehrlichkeit, Verantwortung, Transparenz und einer Politik im Interesse der Meckenheimerinnen und Meckenheimer“, wie sie im offenen Brief von SPD und BfM formuliert wurde.
Doch genau diese Werte bleiben im Umgang mit den steigenden Personalkosten unberücksichtigt: Keine Zahlen, keine Bewertung, keine erkennbare Strategie. Wer sich auf gemeinsame Werte beruft, muss auch selbst daran gemessen werden. In diesem Fall bleibt von der behaupteten „Gemeinsamkeit“ wenig mehr als ein rhetorischer Reflex – und der Eindruck, dass die genannten Maßstäbe für andere gelten sollen, nicht aber für ihn selbst.
📂 Faktencheck: Was bleibt unbeantwortet – und was wird zurecht kritisiert?
Kritikpunkt | Antwort des Bürgermeisters | Bewertung |
„Interkommunale Abstimmung“ suggerierte gesicherte Einnahmen | Abstimmung habe sich nur auf Verwaltungsebene bezogen. | ▶️ Nachgeschoben. Im Rat wurde der Eindruck erweckt, es handele sich um politisch abgestimmte, gesicherte Einnahmen. Diese Differenz bleibt unaufgeklärt. |
Einnahmen wurden ohne rechtliche Grundlage eingeplant | Eingestanden – mit Verweis auf Erfahrungen aus vergleichbaren Fällen. | ▶️ Spekulativ. Die politische Verantwortung für das bewusst eingegangene Risiko wird nicht übernommen. |
Gefahr für Haushaltsstabilität, mögliche Steuererhöhungen | Der Fehlbetrag könne intern aufgefangen werden, Nachtragshaushalt sei nicht nötig. | ▶️ Unzureichend. Es fehlt eine nachvollziehbare Risikobewertung. Die Tragweite wird verharmlost. |
Forderung nach öffentlicher Erklärung, Nachtragshaushalt, Finanzplan | Keine strukturierte Antwort. | ▶️ Nicht erfüllt. Weder ein aktualisierter Finanzplan noch Alternativen zur Gegenfinanzierung werden benannt. |
Tarifsteigerungen wurden zu niedrig angesetzt | Kein Kommentar. | ▶️ Ignoriert. Der TVöD-Abschluss sieht Steigerungen von 5,8 % (2025–2026) vor – deutlich mehr als die eingeplanten 2 %. |
Infokasten: Was ist ein Nachtragshaushalt?
Ein Nachtragshaushalt ist ein aktualisierter Haushaltsplan, der aufgestellt wird, wenn sich wichtige Planannahmen ändern – etwa:
- geplante Einnahmen entfallen (z. B. Wachtberg),
- neue Ausgaben entstehen (z. B. höhere Personalkosten durch Tarifabschlüsse),
- oder das Haushaltsergebnis wesentlich abweicht.
Mit einem Nachtragshaushalt passt die Verwaltung den ursprünglichen Haushaltsplan an die neue Realität an. Der Stadtrat muss dem Nachtrag – genau wie dem ursprünglichen Haushalt – förmlich zustimmen.
Ein Nachtrag ist kein Eingeständnis von Fehlern, sondern ein gesetzlich vorgesehenes Steuerungsinstrument. Er schafft Transparenz und stellt sicher, dass politische Entscheidungen auf aktueller Zahlenbasis getroffen werden können.
Wenn die Verwaltung trotz offensichtlicher Planabweichungen auf einen Nachtrag verzichtet, entsteht der Eindruck, dass Risiken lieber verschwiegen als gelöst werden. Das widerspricht dem Anspruch auf verantwortungsvolle Haushaltsführung.
Fazit: Vertrauen braucht Ehrlichkeit – auch wenn es weh tut
Die Haushaltslage in Meckenheim ist angespannt – nicht erst seit dem Platzen des Beschulungsvertrags mit Wachtberg. Doch die aktuelle Diskussion offenbart ein tieferes Problem: Eine Verwaltungsspitze, die kritische Rückfragen als parteipolitisch abtut, offensichtliche Planungslücken kleinredet und substantielle Risiken unbeantwortet lässt.
Statt Aufklärung erleben wir:
- rhetorische Abwehr statt Verantwortung,
- Widersprüche statt Transparenz,
- Schweigen zu bekannten Risiken statt aktiver Steuerung.
Die Bürgerinitiative Meckenheim wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass diese Themen offen, sachlich und nachvollziehbar diskutiert werden – und die Verantwortung dort eingefordert wird, wo sie liegt: in Politik und Verwaltung.
Quellen:
Meckenheimer Haushaltsentwurf 2025-2026 – Teilpläne zum Produktbereich 03 Schulträgeraufgaben:
https://meckenheim.de/loadDocument.phtml?FID=3947.781.1&Ext=PDF
Protokoll der Ratssitzung vom 19.02.2025:
https://sessionnet.owl-it.de/meckenheim/bi/getfile.asp?id=146120&type=do
Antrag SPD und BfM Verlustvortrag, Streichung Vereinbarung und Haushaltssicherungskonzept vom 18.03.2025:
https://sessionnet.owl-it.de/meckenheim/bi/getfile.asp?id=146196&type=do
Protokoll der 27. Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses des Rates der Stadt Meckenheim vom 19.03.2025:
https://sessionnet.owl-it.de/meckenheim/bi/getfile.asp?id=146448&type=do
General-Anzeiger vom 04.06.2025:
https://ga.de/region/voreifel-und-vorgebirge/wachtberg/wachtberg-kontroverse-mit-meckenheim-gemeinde-soll-fuer-schueler-zahlen-v1_aid-128604997
Kölnische Rundschau vom 05.06.2025:
https://www.rundschau-online.de/region/bonn/wachtberg/wachtberger-kaemmerei-lehnt-zahlung-fuer-schulen-in-meckenheim-ab-1037730
General-Anzeiger vom 06.06.2025:
https://ga.de/region/voreifel-und-vorgebirge/meckenheim/meckenheimer-veraergert-wegen-kurswechsel-in-wachtberg_aid-128790367
Bonner Rundschau vom 06.06.2025 (Printausgabe)
Bonner Rundschau vom 07.06.2025 (Printausgabe)
General-Anzeiger vom 10.06.2025:
https://ga.de/region/voreifel-und-vorgebirge/meckenheim/wachtberger-politik-zerlegt-meckenheims-hoffnung-auf-geld_aid-129032695
offener Brief SPD und BfM an Bürgermeister (veröffentlicht am 12.06.2025)
https://bi-meckenheim.de/wp-content/uploads/2025/06/2025-06-12-SPD-und-BfM-offener-Brief-BM-Beschulungsvertrag.pdf
Antrag SPD und BfM zur Erstellung eines Nachtragshaushaltes vom 17.06.2025
https://sessionnet.owl-it.de/meckenheim/bi/getfile.asp?id=147579&type=do
Generalanzeiger vom 20.06.2025:
https://ga.de/region/voreifel-und-vorgebirge/wachtberg/realschulzweig-fuer-hdg-schule-in-wachtberg_aid-129401175
General-Anzeiger vom 22.06.2025:
https://ga.de/region/voreifel-und-vorgebirge/meckenheim/politik-wirft-meckenheims-buergermeister-versaeumnisse-vor_aid-129633665
Ratsinformationssystem, Haupt- und Finanzausschuss (25.06.2025)
https://sessionnet.owl-it.de/meckenheim/bi/getfile.asp?id=147414&type=do
Bonner Rundschau vom 25.06.2025 (Printausgabe)
General-Anzeiger vom 25.06.2025:
https://ga.de/region/voreifel-und-vorgebirge/meckenheim/meckenheims-buergermeister-wehrt-sich-gegen-vorwuerfe_aid-129932485
Meckenheim Homepage (Antwort Bürgermeister auf offenen Brief der SPD und BfM) vom 27.06.2025:
https://meckenheim.de/B%C3%BCrgerdienste/Aktuelles/Antwort-des-B%C3%BCrgermeisters-auf-den-Offene-Brief-der-SPD-Fraktion-und-der-BfM-Fraktion-zur-Schulvereinbarung-mit-der-Gemeinde-Wachtberg.php?object=tx,3947.5.1&ModID=7&FID=3947.11841.1&NavID=3947.12&La=1&kat=3947.3
Bonner Rundschau vom 28.06.2025 (Printausgabe)